Die Infrastrukturabgabe, ein Eintrittsgeld für Deutschlandbesucher - Das außer Kontrolle geratene aberwitzige Prestigeprojekt der Regionalpartei CSU
Wo anfangen bei der Kommentierung dieses fragwürdigen Irrsinns?
Beim Bruch von Wahlversprechen, dem Verstoß gegen die EU-Gesetzgebung (Ausländerdiskriminierung), der Unwirtschaftlichkeit, der abenteuerlichen Berechnungsmethode, der zusätzlichen Datensammelei, der sinnfreien Zukleisterung der Frontscheiben, der politischen Außenwirkung, den drohenden Folgen auf europäischer Ebene?
Wahlversprechen - Wir erinnern uns an den zurückliegenden Bundestagswahlkampf. Da hatte Angela Merkel im TV-Duell noch betont: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben." Ihre Wahlkampfversprechen interessierten sie bei den Koalitionsverhandlungen mit der selbstverliebten Schwesterpartei offensichtlich nicht mehr. Ein für die CSU leider typisches Verhalten, daß sie sich ausgerechnet mit einem ausländerdiskriminierenden Stammtischthema zu profilieren versucht. Dass Angela Merkel vor der CSU zurückschreckt ist nichts Neues, aber das sie ausgerechnet bei diesem Thema einknickt, sagt viel über die wahren Machtverhältnisse innerhalb der CDU/CSU aus und wie ungleich dort offenbar die Kräfte verteilt sind. Die CDU sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob es noch zeitgemäß ist, sich von ihrer kleinen Schwesterpartei, die Deutschlandpolitik diktieren zu lassen. Eine kleine Anregung: Wie wärs, die CDU in Bayern zur Wahl antreten zu lassen? Denn nur so scheint es, daß der oft unheilvoll-peinliche bayerische Einfluß auf die deutsche Politik unter Kontrolle zu bekommen wäre.
Und nur der Vollständigkeit halber: Die SPD hatte der PKW-Maut im Wahlkampf ebenso eine klare Absage erteilt und trägt sie seit den Koalitionsverhandlungen ebenso mit. Das war vermutlich das Gegengeschenk für die vielen Ministerposten. Sie ist daher kein Stück besser als die CDU. Die Wähler wurden somit von beiden großen Volksparteien mit falschen Versprechungen gelockt.
EU-Recht (Ausländerdiskriminierung) - Der zumindest rechtlich wohl heikelste Punkt dieses lausig zusammengeschusterten Gesetzentwurfs. Die EU-Gesetzgebung verbietet die Diskrimierinierung von Ausländern. Und da wird es schwierig werden, ein Gesetz zu rechtfertigen, das nur geschaffen wurde, um ausschließlich Ausländer abzukassieren und das in einem beispiellosen bislang nie dagewesenen Umfang. Die PKW-Maut ist ein Ärgernis in mehreren europäischen Ländern, aber die Ausweitung dieser auf sämtliche Straßen, die quasi einem Eintrittsgeld für alle Ausländer gleich kommt, die mit dem Auto zu uns kommen, ist so abwegig wie unerwartet. Naja, abgesehen vom Eintrittsgeld das die DDR von Westbesuchern kassiert hatte. Ob sich die CSU da wohl vom Spruch "Von der DDR lernen, heißt siegen lernen" inspirieren ließ? Und nun von "Vorwärts immer, rückwärts nimmer", selbst wenn vorwärts hier rückwärts ist? Wie so oft kann uns wohl nur die EU vor der deutscher Gesetzgebung schützen.
Unwirtschaftlichkeit - Die überschaubaren Einnahmen, werden zu so großen Anteilen durch Verwaltungs- und Überwachungskosten aufgefressen, daß sich die PKW-Maut selbst mit der extremen Ausweitung auf jede deutsche Straße nicht soweit lohnen würde, daß sie als akzeptabel betrachtet werden kann, zumal unter Berücksichtigung des außenpolitischen Flurschadens, der damit angerichtet würde.
Die abenteuerliche Berechnungsmethode - So abenteuerlich, wie die Formeln zu Berechnung der Ausländer-Maut sind, hätte man besser den Begriff der "Infrastrukturabgabe" unterlassen, weil sich der Begriff nicht ernsthaft mit dem absurden völlig willkürlichen Rechenmodell in Einklang bringen läßt.
Die Höhe der Ausländer-Maut hängt davon ab, wie groß der Hubraum des Pkw ist, ob der Wagen mit Benzin oder Diesel betankt wird und wann er gebaut wurde.
Wie geistig umnachtet muß man sein, um sich für diese allesamt völlig infrastruktur-irrelevanten Faktoren zu entschieden?
Der Hubraum - Den Unsinn, den Hubraum als Faktor bei der Kfz-Steuerberechnung zu nutzen hatte man vor einigen Jahren in Deutschland endlich aufgegeben. Nun soll er wieder, gegen jede Logik des Verstandes, genutzt werden. Vom Hubraum kann nicht auf das Fahrzeuggewicht geschlossen werden, nicht auf die Höchstgeschwindigkeit, nicht auf den Schadstoffausstoß und noch nicht einmal auf den Kraftstoffverbrauch. Und so sollen Autos mit geringem Hubraum bevorzugt werden, obwohl sie für die Infrakstruktur und auch sonst nichts bringen und somit irrelevant sind. Die Unterschiede zwischen einem hubraumstärkeren Motor ohne Turbolader und kleineren Motor mit Turbolader (inzwischen die Regel) sind nicht groß der Rede wert. Die sonstigen Unterschiede zwischen den Fahrzeugen, selbst des gleichen Herstellers und erst recht die Fahrweise der Autofahrer, spielen eine ungleich größere Rolle.
Benzin oder Diesel - Auch bei diesem infrastruktur-irrelevanten Faktor fragt man sich nach dem Sinn dahinter. Es ist wohl nur die fragwürdige und damit ideenlose Fortführung des merkwürdigen deutschen Steuersystems der Ungleichbehandlung von Fahrzeugen mit Benzin- und Dieselmotoren. Damit hängt das Rechenmodell der Ausländer-Maut direkt am Rechenmodell der deutschen Kfz-Steuer.
Baujahr - Logisch erscheint diese ebenfalls infrastruktur-irrelevante Unterscheidung nur als denkbares Resultat der Lobbyarbeit der Automobilindustrie zur umweltschädlichen Förderung von Neuwagen. Denn welchen Unterschied macht es, ob ein Auto im Jahr 2008 oder 2009 vom Band lief. Andererseits steht die Automobilindustrie diesem Vorhaben aber offiziell eher kritisch gegenüber. Geht es um den Schadstoffausstoß, spielt das Baujahr erstmal keine Rolle. Zwar ist dieser bei neueren Modellen oft geringer, aber das hängt weniger vom Baujahr, als vielmehr dem einzelnen Automodell (schwere Oberklasselimousine, SUV etc. einerseits und Kompaktklasse etc. andererseits) und seiner Motorisierung und Abgasreinigung ab. Beim Kraftstoffverbrauch ist es ähnlich.
Und als ob das nicht schon unsinnig genug wäre, gibt es auch noch höchst unterschiedliche Kappungsgrenzen für die Hubraumbesteuerung. Bei Autos mit Otto- und Wankelmotoren die ab Juli 2009 zugelassen wurden, liegt die festgelegte Kappungsgrenze bei 5000 Kubikzentimetern. Bei Dieselmotoren aber bei lediglich 1100 Kubikzentimetern. Eine Grenze, die von kaum einem Dieselmotor unterschritten wird. Bei Autos die früher zugelassen wurden, kommen andere Kappungsgrenzen in Abhängigkeit ihrer Schadstoffklasse zum Einsatz. Der Irrsinn hat Methode, denn damit wird das absurde Berechnungsmodell soweit unter Kontrolle gebracht, daß am Ende sehr ähnliche Beträge entstehen und genau die Beträge erzielt werden, um die die Kfz-Steuer centgenau vermindert wird. Getreu dem Motto: "Warum einfach, wenn es auch höchst absurd und kompliziert geht?"
Zudem gibt es auch noch Kurzzeitvignetten. Halter von in Deutschland zugelassener Pkws können aber keine Kurzzeit-Vignetten wählen, sie bekommen automatisch eine Vignette fürs ganze Jahr, ob sie wollen oder nicht. Interessant wäre dies für Fahrzeuge, die nur selten oder nur saisonal auf deutschen Straßen unterwegs wären. Aber dann würde das CSU-Modell möglicherweise finanziell endgültig in sich zusammenbrechen.
zusätzliche Datensammelei - Wie das Ganze kontrolliert werden soll, darüber ist sich der Herr Dobrindt selbst noch nicht im Klaren. Hier könnte ein weiteres System geschaffen werden, mit dem leicht Bewegungsprofile von Menschen erstellt und so mit anderen Daten abgeglichen und ergänzt werden. Und so ist es unter Datenschutzaspekten potenziell sehr problematisch.
Die Zukleisterung der Frontscheiben - Als wäre es nicht schon nervig genug, die bisherigen Autobahn-Maut-Aufkleber wieder von den Scheiben herunterzukratzen, kommt nun neben dem obligatorischen Schadstoffklassenaufkleber auch noch die deutsche Vignette hinzu. Man stelle sich vor, daß von Deutschland inspiriert die meisten anderen EU-Länder ebenfalls eine Ausländer-Maut für sämtliche ihrer Straßen einführen. Fährt man dann einmal für 3 Wochen quer durch Europa, hat man am Ende erheblich an Durchblick durch die Frontscheibe verloren, wenn dann ein Dutzend weiterer Aufkleber auf der Scheibe klebt. Gut für Hersteller von Vignettenkratzern. Die Hersteller von Vignetten-Kratzern werden traumhafte Umsätze machen.
Maximal bekloppt wird es bei dem Umstand, daß auch Halter von in Deutschland zugelassenen Autos die Vignetten an die Frontscheibe kleben müssen, obwohl niemand um den Erwerb dieser Vignette herum kommen kann, weil sie unverlangt zugesandt werden. Das deutsche Kfz-Kennzeichen sollte mehr als ausreichend sein.
Und setzt sich der CSU-Irrsinn durch, was möglich wäre, weil es auch in anderen europäischen Ländern einflußreiche Stammtischpolitiker gibt, die was gegen Ausländer haben, kann eine EU-Rundfahrt mit dem Auto dank der CSU und Herrn Dobrindt letztlich für u.a. auch die deutschen Autofahrer sehr kostspielig werden. Bleibt also zu hoffen, daß das CSU-Projekt scheitert oder sich die bayerische Deppenpolitik nicht europaweit durchsetzt.
Vielleicht ist das ganze aber auch nur Taktik seitens der CDU/CSU um mit dieser absurden Maximalforderung am Ende "nur" eine normale Autobahn-Maut für Ausländer zu schaffen, damit sich am Ende alle feiern lassen können. Die CSU für die Durchsetzung ihrer Stammtischpolitik und alle anderen dafür, daß sie die irrsinnige Maximalvariante verhindert haben.
Um so mehr man sich mit Politik befaßt und um so mehr man sie begreift um so mehr widert einen dieses Volksverdummungstheater an.
Die PKW-Maut, ein Eintrittsgeld für Deutschlandbesucher.
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René Frost
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Re: Die PKW-Maut, ein Eintrittsgeld für Deutschlandbesucher.
Der Europäischer Gerichtshof hat diesen Irrsinn gestoppt.
Vielen, vielen herzlichen Dank an Österreich und die Niederlande für ihren engagierten Einsatz gegen die ausländerfeindliche bayerischen Stammtischpolitik, die abermals hochnotpeinliche beschämende Bundespolitik wurde, weil es der CDU und SPD an ausreichendem Rückgrat gegenüber der CSU mangelt.
Vielen, vielen herzlichen Dank an Österreich und die Niederlande für ihren engagierten Einsatz gegen die ausländerfeindliche bayerischen Stammtischpolitik, die abermals hochnotpeinliche beschämende Bundespolitik wurde, weil es der CDU und SPD an ausreichendem Rückgrat gegenüber der CSU mangelt.
René Frost
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