Es war am 19. August 1813, so entnehm ich alten, durch Friedrich Tietz* veröffentlichten Aufzeichnungen -, als an den Straßenecken Berlins und zugleich in der »Vossischen« und »Spenerschen Zeitung« folgende Bekanntmachung erschien:
[center]
Preußischer Frühling im Januar 1859
Noch ist es lang hin bis zum Frühlingsgrün,
Bis zu Blütenduft und Blumenblühn,
Bis zum Jubel der kleinen Waldvögelein,
Bis zum Fluge der Schwalben im Sonnenschein.
Und dennoch aus fernem, aus warmem Land,
Wohin der Winter den Flücht'gen verbannt
Ist heimgekehrt ein verfrühter Gast,
Ein allbekannter, zu erneuter Hast.
Er sucht sich die höchsten Giebel wohl aus
Und baut dort sein Nest auf der Menschen Haus,
Und wo er es tut, tönt's ihm entgegen:
»Willkommen! Du bringst dem Hause Segen!«
Wer mag noch fragen zu dieser Stund,
Welchen Gast wir meinen? Des Volkes Mund
Ruft jubelnd aus: »Nun ist er da!
Der Storch ist gekommen! Viktoria!«
Und alle schaun herzfreudigen Blicks
Hinauf zur erwählten Stätte des Glücks,
Zum Königspalast, des höchste Spitze
Der schwarzweiße Vogel erwählt zum Sitze.
Der Adler daneben dehnt majestätisch
Die Fittiche aus und spricht gravitätisch:
»Weil du, mein beflügelter Herr Kumpan,
Am Preußenland so was Braves getan,
So will ich dich ehren fortan als Freund
Und hoff, wir sehn uns hier oft noch vereint!«
Der Storch beugt sein langbeschnäbeltes Haupt
Und spricht: »Wenn's gnädigst mir ist erlaubt,
So bring ich alljährlich, was heut ich gebracht.«
Da hat der preußische Adler gelacht:
»Herr Vogel-Bruder, ich halt dich beim Wort!
Vermehre du fleißig der Preußen Hort;
Der Storch bringt den Segen, ihn hütet der Aar,
Und Gott schützt das Haus jetzt und immerdar!«
So haben die beiden Luftsegler da oben
Es abgesprochen - wir können's nur loben.
Und drinnen im Haus singt ins Land hinein
Sein erstes Lied unser Prinzlein klein. -
»Gott laß dich wachsen, du kleiner Mann,
Bis du reichst zum Großen Fritze hinan!«[/center]
Literatur: Gedichte
In Fontanes Wanderungen im Band IV gefunden
Zuletzt geändert von Alexia am Do 4. Mär 2004, 02:15, insgesamt 1-mal geändert.
[center]Tränen, die sagen,
ich brauche Dich.
Tränen, die bitten,
verlaß mich nicht.
Tränen, die über die Wangen rinnen,
weil ich Dich so sehr vermisse!
Tränen, aus Enttäuschung geweint.
Tränen über Worte,
die nicht so gemeint.
Tränen der Hoffnung,
dass es doch noch eine Chance gibt.
Doch würden all diese Tränen
nicht geweint,
hätte ich es mit Dir
auch nie ehrlich gemeint.
Ich liebe Dich!
unbekannt[/center]
ich brauche Dich.
Tränen, die bitten,
verlaß mich nicht.
Tränen, die über die Wangen rinnen,
weil ich Dich so sehr vermisse!
Tränen, aus Enttäuschung geweint.
Tränen über Worte,
die nicht so gemeint.
Tränen der Hoffnung,
dass es doch noch eine Chance gibt.
Doch würden all diese Tränen
nicht geweint,
hätte ich es mit Dir
auch nie ehrlich gemeint.
Ich liebe Dich!
unbekannt[/center]
[center]Ein Pflasterstein,
Der war einmal
Und wurde viel beschritten.
Er schrie: ”Ich bin ein Mineral
Und muß mir ein für allemal
Dergleichen streng verbitten!“
Jedoch den Menschen fiel’s nicht ein,
Mit ihm sich zu befassen,
Denn Pflasterstein bleibt Pflasterstein
Und muß sich treten lassen.
Joachim Ringelnatz[/center]
[center]Ich bin Klempner von Beruf.
Reinhard Mey
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies' gold'ne Handwerk schuf.
Denn auch in den größten Nöten
Gibt es immer was zu löten.
Immer wieder gibt es Pannen
An WC's und Badewannen:
Ich bin Klempner von Beruf.
Neulich hab' ich einen Boiler installiert,
Der hat gut und gern zwei Tage funktioniert.
Dann war er drei Tage alt
Und das heiße Wasser kalt.
Na, da hab' ich gar nicht lange repariert,
Sondern sofort einen neuen installiert.
Und da fragt mich doch der Kunde noch nachher,
Ob denn reparieren nicht doch preiswerter wär'.
Da antwort' ich blitzeschnell:
"Ihr uraltes Modell
Stellt die Firma heute schon gar nicht mehr her,
Und Ersatzteile gibt's schon längst nicht mehr."
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies' gold'ne Handwerk schuf.
Selbst in schweren Wirtschaftskrisen
Find' ich Rohre hinter Fliesen,
Ist ein Abfluß abzudichten,
Und ein Unglück anzurichten:
Ich bin Klempner von Beruf.
Gestern mittag hat ein Kunde angeklopft,
Bei ihm sei wohl ein Abwasserrohr verstopft.
Ich erneu're rasch die Dichtung,
Und dann stimmt auch schon die Richtung,
Wenn man einen Stopfen in die Röhre pfropft,
Kann es sein, daß der Rücklaufkrümmer tropft.
Doch wahrscheinlich hat ein Doppelflansch geklemmt,
Darum hab' ich gleich die Mauer aufgestemmt
Und das Halbrundstück durchstochen
Und die Wohnungswand durchbrochen
Und die Nachbarwohnung auch noch überschwemmt.
Es gibt nichts, was einen Klempner hemmt.
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies' gold'ne Handwerk schuf.
Immer werden Hähne tropfen,
Werden Waschbecken verstopfen.
Immer gibt es was zu schweißen,
Abzubau'n und einzureißen:
Ich bin Klempner von Beruf.
Letzte Pfingsten war es, glaub' ich, um halb acht,
Da rief ein Mann an, völlig aufgebracht:
Bei ihm sei ein Rohr gebrochen,
Er selbst naß bis auf die Knochen,
Und das sprudelt und das gluckert und das kracht.
"Prima", sagte ich: "das wird sofort gemacht."
An einem nebligen Novembertag
Bracht' ich ihm erstmal den Kostenvoranschlag.
Noch muß er zum Keller schwimmen
Und zur Nacht sein Dach erklimmen,
Denn vor Juni tu' ich keinen Hammerschlag.
So hat jeder seine Sorgen heutzutag'.
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies' gold'ne Handwerk schuf.
Es gibt immer ein paar Muffen
Abzuhau'n und krumm zu buffen,
Es gibt immer was zu plantschen,
An den Hähnen zu verflanschen:
Ich bin Klempner von Beruf.
Am Freitag kam eine Reklamation,
Ein Kunde rügte die Installation,
Immer, wenn er Wasser zapfe,
Sammle Erdgas sich im Napfe,
Und klinge zufällig das Telefon,
Gab es manche heftige Detonation.
Ich löste das Problem höchst elegant,
Indem ich Telefon und Hahn verband.
Wenn es jetzt im Hörer tutet,
Wird die Küche überflutet
Und durch diesen Kunstgriff meisterlicher Hand,
Ist jetzt jede Explosionsgefahr gebannt.
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies' gold'ne Handwerk schuf.
Denn in Villen, Hütten, Lauben,
Gibt es Muttern zu verschrauben,
Selbst auf Schlössern, alten, stolzen,
Gibt es Schellen zu verbolzen:
Ich bin Klempner von Beruf.
Gründlichsein ist jeden Klempners Pflicht.
Donnerstag war eine Leitung nicht ganz dicht.
Mit dem Anzieh'n einer Mutter
Ist das längst noch nicht in Butter,
Denn, wenn dabei eine Bogenschelle bricht,
Reduziert sich oft die Druckmanschette nicht.
Folglich habe ich vom Keller bis zum Dach
Alle Rohre neu verlegt und hab' danach
Auch den Kühlschrank noch erneuert,
Was die Sache zwar verteuert,
Aber dafür sagt mir auch kein Kunde nach,
Daß ich bei der Arbeit halbe Arbeit mach'.
Ich bin Klempner von Beruf.
Ein dreifach Hoch dem, der dies' gold'ne Handwerk schuf.
Linker Hand die Werkzeugtasche,
Zwanz'ger Schlüssel, Thermosflasche,
Rechter Hand meine Rohrzange,
So wird mir so schnell nicht bange:
Ich bin Klempner von Beruf.
Und braucht man keine Klempner mehr,
Na, dann werd' ich halt Installateur.[/center]
Die Parallelen zur Gegenwart sind beim folgenden Gedicht bedrückend:
[center]Auswanderungslied
Unsre Fürsten hatten viel versprochen,
Doch das Halten schien nicht ihre Pflicht.
Haben wir denn nun soviel verbrochen,
daß sie hielten ihr Versprechen nicht?
Schlimmer wird es jetzt von Tag zu Tage,
Schweigen ist nur unser einzig Recht:
Untertanen ziemet keine Klage,
Und gehorchen muß dem Herrn der Knecht.
Unsre Brüder werden ausgewiesen,
Mehr als alles Recht gilt Polizei.
Heute trifft es jenen, morgen diesen,
Jeder, jeder Deutsch' ist vogelfrei.
Deutsche Freiheit lebet nur im Liede,
Deutsches Recht, es ist ein Märchen nur.
Deutschlands Wohlfahrt ist ein langer Friede -
Voll von lauter Willkür und Zensur.
Darum ziehn wir aus dem Vaterlande,
Kehren nun und nimmermehr zurück,
Suchen Freiheit uns am fremden Strande -
Freiheit ist nur Leben, ist nur Glück.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben[/center]
[center]Sorry, Poor Old Germany
Reinhard Mey
Auf den Müll, Ihr Bücher! die ihr
Lang schon nicht mehr up to date
Dick und deutsch im Bücherschrank hier
Zwischen meinen paperbacks steht!
Deine Räuber sind längst killer,
Wilhelm Tell greift zur emm-pee.
Sorry for you, Freddy Schiller,
Sorry, poor old Germany!
Auch der Götz hat nachgelassen:
Wenn der heute flucht und schwört,
Bringt er's nur noch zu 'nem blassen
Ordinär'n four-letter word.
Werther ersäuft seine Nöte,
Faust sitzt in der Psychiatrie.
Sorry for you, Johnny Goethe,
Sorry, poor old Germany!
Mann, könntest Du die Urenkel
Des Ribbek auf Ribbek im Havelland seh'n!
Da öffnen sich Dir die Senkel,
Mein lieber Theo Fontane!
Ribbeks Birnbaum ist längst Asche,
Und der gutmüt'ge einstige Kinderfreund
Füllt als dealer sich die Tasche:
"Come here, baby! Willst'n joint?"
Weiß nicht, was soll es bedeuten,
Deine Worte sterben aus,
Sind nicht mehr in bei den Leuten,
Jetzt spricht alles wie die Mickymaus.
Loreley rettet alleine
Haar-Spray-Werbung im tee-vee.
Sorry for you, Henry Heine,
Sorry, poor old Germany!
Schade für uns, wie ich meine.
Sorry, dear old Germany![/center]
[center]Die Alten und die Jungen
"Unverständlich sind uns die Jungen",
wird von den Alten beständig gesungen;
meinerseits möchte' ich's damit halten:
"Unverständlich sind mir die Alten."
Dieses Am-Ruder-bleiben-Wollen
In allen Stücken und allen Rollen,
dieses Sich-unentbehrlich-Vermeinen
samt ihrer "Augen stillem Weinen",
als wäre der Welt ein Weh getan –
ach, ich kann es nicht verstahn.
Ob unsere Jungen, in ihrem Erdreisten,
wirklich was Besseres schaffen und leisten,
ob dem Parnasse sie näher gekommen
oder bloß einen Maulwurfshügel erklommen,
ob sie mit anderen Neusittenverfechtern,
die Menschheit bessern oder verschlechtern,
ob sie Frieden sä'n oder Sturm entfachen,
ob sie Himmel oder Hölle machen –
eins läßt sie stehn auf siegreichem Grunde:
sie haben den Tag, sie haben die Stunde;
der Mohr kann gehen, neu Spiel hebt an,
sie beherrschen die Szene, sie sind dran.
Theodor Fontane (1819-1898)[/center]
[center]Es sitzt ein Vogel auf dem Leim,
Er flattert sehr und kann nicht heim.
Ein schwarzer Kater schleicht herzu,
Die Krallen scharf, die Augen gluh.
Am Baum hinauf und immer höher
Kommt er dem armen Vogel näher.
Der Vogel denkt: Weil das so ist
Und weil mich doch der Kater frißt,
So will ich keine Zeit verlieren,
Will noch ein wenig quinquilieren
Und lustig pfeifen wie zuvor.
Der Vogel, scheint mir, hat Humor.
Wilhelm Busch[/center]
Er hat sich offenbar im Datum geirrt.[center]Das letzte Kapitel
Am 12. Juli des Jahres 2003
lief folgender Funkspruch rund um die Erde:
daß ein Bombengeschwader der Luftpolizei
die gesamte Menschheit ausrotten werde.
Die Weltregierung, so wurde erklärt, stelle fest,
daß der Plan, endgültig Frieden zu stiften,
sich gar nicht anders verwirklichen läßt,
als alle Beteiligten zu vergiften.
Zu fliehen, wurde erklärt, habe keinen Zweck.
Nicht eine Seele dürfe am Leben bleiben.
Das neue Giftgas krieche in jedes Versteck.
Man habe nicht einmal nötig, sich selbst zu entleiben.
Am 13. Juli flogen von Boston eintausend
mit Gas und Bazillen beladene Flugzeuge fort
und vollbrachten, rund um den Globus sausend,
den von der Weltregierung befohlenen Mord.
Die Menschen krochen winselnd unter die Betten.
Sie stürzten in ihre Keller und in den Wald.
Das Gift hing gelb wie Wolken über den Städten.
Millionen Leichen lagen auf dem Asphalt.
Jeder dachte, er könne dem Tod entgehen.
Keiner entging dem Tod, und die Welt wurde leer.
Das Gift war überall. Es schlich wie auf Zehen.
Es lief die Wüsten entlang. Und es schwamm übers Meer.
Die Menschen lagen gebündelt wie faulende Garben.
Andre hingen wie Puppen zum Fenster heraus.
Die Tiere im Zoo schrien schrecklich, bevor sie starben.
Und langsam löschten die großen Hochöfen aus.
Dampfer schwankten im Meer, beladen mit Toten.
Und weder Weinen noch Lachen war mehr auf der Welt.
Die Flugzeuge irrten, mit tausend toten Piloten,
unter dem Himmel und sanken brennend ins Feld.
Jetzt hatte die Menschheit endlich erreicht, was sie wollte.
Zwar war die Methode nicht ausgesprochen human.
Die Erde war aber endlich still und zufrieden und rollte,
völlig beruhigt, ihre bekannte elliptische Bahn.
Erich Kästner, geschrieben 1930[/center]

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[center]Daß mir der Hund das Liebste ist,
sagst Du oh Mensch sei Sünde,
doch der Hund bleibt mir im Sturme treu,
der Mensch nicht mal im Winde.
(Arthur Schopenhauer)[/center]
René Frost
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[center]Von Katzen
Theodor Storm
Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber - Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche -,
Die wollte von den sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! - Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah,
Sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
Ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. -
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! - Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar - nein, es ist unaussprechlich -
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber! ach, mir läuft der Kopf davon -
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfunfzig Katzen![/center]
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