Literatur: Gedichte

Sonstiges - Spiele - Spaß - Plaudereien
Alexia

Beitragvon Alexia » Mo 26. Apr 2004, 21:19

[center]Ich habe versucht zu versuchen,
während ich arbeiten muß,
an meine Arbeit zu denken,
und nicht an dich!
Und ich bin glücklich,
daß der Versuch nicht geglückt ist.


Erich Fried[/center]

Laura

Die beiden Hände

Beitragvon Laura » Di 27. Apr 2004, 02:32

Die beiden Hände

Es sagte einmal die kleine Hand zur großen Hand:
Du große Hand, ich brauche dich,
weil ich bei dir geborgen bin.
Ich spüre deine Hand,
wenn ich wach werde und du bei mir bist,
wenn ich Hunger habe und du mich fütterst,
wenn du mir hilfst, etwas zu greifen und aufzubauen,
wenn ich mit dir meine ersten Schritte versuche,
wenn ich zu dir kommen kann, weil ich Angst habe.
Ich bitte dich: bleibe in meiner Nähe und halte mich.

Und es sagte die große Hand zur kleinen Hand:
Du kleine Hand, ich brauche dich,
weil ich von Dir ergriffen bin.
Das spüre ich,
weil ich viele Handgriffe für dich tun darf,
weil ich mit dir spielen, lachen und herumtollen kann,
weil ich mit dir kleine, wunderbare Dinge entdecke,
weil ich deine Wärme spüre und dich lieb habe,
weil ich mit dir zusammen wieder bitten und danken kann.
Ich bitte dich: bleibe in meiner Nähe und halte mich.

- Nach Gerhard Kiefel

:respekt:

Laura

Beitragvon Laura » Di 27. Apr 2004, 15:59

Leise Menschen, leise Freundschaften –
Stille Worte, stille Zeichen
übertönen lautstarkes Getue –
überdauern die Kurzlebigkeit
großer Versprechungen, leerer Gesten.

von Margot Bickel

:)

Laura

Die Kunst sich fallen zu lassen

Beitragvon Laura » Mi 28. Apr 2004, 04:53

Die Kunst sich fallen zu lassen

Ohne an dem zu zweifeln
was man tut,
ohne darüber nachzudenken
was man will,
ohne Angst vor dem
was daraus werden könnte,
ohne Erwartungen
- es einfach geschehen lassen
(ganz gleich, was es sein mag)

das alles
kann ganz leicht sein...
man darf nur nie versuchen
es zu benennen.

Gerhard Feil

:anbet:

Alexia

Beitragvon Alexia » Fr 30. Apr 2004, 10:31

[center]Dunkel war's, der Mond schien helle,
Schnee lag auf der grünen Flur,
als ein Auto blitzeschnelle
langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschossner Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.

Auf einer roten Bank,
die blau angestrichen war,
saß ein blondgelockter Jüngling
mit kohlrabenschwarzem Haar.
Neben ihm ´ne alte Schrulle,
die kaum erst sechzehn war.
Diese aß ´ne Butterstulle,
die mit Schmalz bestrichen war.

Droben auf dem Apfelbaume,
der sehr süße Birnen trug,
hing des Frühlings letzte Pflaume
und an Nüssen noch genug.

Eine Kuh, die saß im Schwalbennest
mit sieben jungen Ziegen,
die feierten ihr Jubelfest
und fingen an zu fliegen.
Der Esel zog Pantoffel an,
ist übers Haus geflogen,
und wenn das nicht die Wahrheit ist,
so ist es doch gelogen.


Joachim Ringelnatz (1883 - 1934)[/center]

Laura

Der 1. Mai

Beitragvon Laura » Fr 30. Apr 2004, 17:05

Der erste Mai

Der erste Tag im Monat Mai
Ist mir der glücklichste von allen.
Dich sah ich und gestand dir frei,
Den ersten Tag im Monat Mai,

Dass dir mein Herz ergeben sei.
Wenn mein Geständnis dir gefallen,
So ist der erste Tag im Mai
Für mich der glücklichste von allen.

Friedrich von Hagedorn

:cool:

Laura

Hexentanz

Beitragvon Laura » Fr 30. Apr 2004, 17:08

Hexentanz

Mondsilber, Märchengold,
heut' sind mir die Geister hold,
Eulenflügel, Echsenschwanz,
heut' geh ich zum Hexentanz!

Nebelstaub, Karfunkelstein,
ich will kein graues Mäuschen sein,
Wichtelkraut, Walpurgisstern,
ich hab alle Magier gern...
Koboldzähne, Engelshaar,
gegen Abend bin ich da,
Elfenschatten, Wolkenspinnen,
dann kannst du mir nicht entrinnen!

Mäusefedern, Fledermaus,
ich dich jetzt mit nach Haus,
und willst du nicht mein Zauberer sein -
verwandle’ ich dich, in ein Schwein!

Mondsilber, Märchengold,
heut' sind mir die Geister hold,
Eulenflügel, Echsenschwanz,
heut' geh ich zum Hexentanz!
(unbekannt)

:yau:




Walpurgisnacht am 30.04.


Ist die Hexennacht voll Regen,
wird's ein Jahr mit reichlich Segen
(Bauernregel)

:yau:

Laura

Hexennacht

Beitragvon Laura » Fr 30. Apr 2004, 17:11

Hexennacht

Das Brauchtum hier in unserem Dorf
hat eine lange Tradition.
Die Jugend stellt den Maibaum auf,
schmückt ihn bis in die Spitzen,
mit Bändern bunt, aus Stoff, Papier,
ein Strohkranz drauf, welch eine Zier.
Es weht ein lauer Abendwind,
ein reges Treiben, die Nacht beginnt.

Hexen, sie tanzen und singen laut,
auf einem Bein um's Feuer.
Die Kirchenuhr schlägt Mitternacht,
im Dorf da ist es nicht geheuer.
Es rumpelt und pumpelt,
es rasselt, es knarrt,
die Hexen, sie hexen gar schwer.
Sie rollen, sie schieben, tragen und biegen
verschiedene Dinge mal kreuz und mal quer.

Jede r verriegelt, verrammelt die Türen,
sitzt still hinterm Ofen auf der Lauer.
Doch Hexen sind schlau,
das weiß man genau,
sie klettern über Zäune und Mauern.
Man hört sie nur, kann sie nicht seh'n
in dieser Hexennacht,
so wird manch' Gegenstand bei Nacht
doch heimlich fortgebracht.

Da ertönt der erste Hahnenschrei,
die Hexennacht ist jetzt vorbei.
Der Dorfplatz gleicht einem wüsten Gelage,
heut hier am ersten Maientage.
Ein altes Wasserfass,
ein Gartentürchen an der Linde,
ein Karren mit Mist, ein Bett aus alter Eiche,
es konnte nicht, das sieht man hier,
der Hexennacht entweichen.

(Manfred Ulrich, Neroth)

:idee:

Laura

Oh, wer um alle Rosen wüßte

Beitragvon Laura » So 2. Mai 2004, 06:32

Oh, wer um alle Rosen wüßte,
die rings,
in stillen Gärten stehen -
oh, wer um alle wüßte,
müßte wie im Rausch
durchs Leben gehen.

Christian Morgenstern

:rolleyes:

Laura

Ein bisschen mehr Freude

Beitragvon Laura » Mo 3. Mai 2004, 06:18

Ein bisschen mehr Freude


Ein bisschen mehr Freude und weniger Streit,
ein bisschen mehr Güte und weniger Neid,
ein bisschen mehr Liebe und weniger Hass,
ein bisschen mehr Wahrheit, das wär' doch was!

Statt soviel Unrast ein bisschen Ruh',
Statt immer nur ich bisschen mehr du,
statt Angst und Hemmung ein bisschen mehr Mut
und Kraft zum Handeln, das wäre gut.

Kein Trübsal und Dunkel, ein bisschen mehr Licht,
kein quälend Verlangen, ein froher Verzicht,
und viel mehr Blumen, solange es geht,
nicht erst auf Gräbern, denn da blüh'n sie zu spät.

Peter Rosegger (1843-1918)



:anbet:

Laura

Elfchen

Beitragvon Laura » Mo 3. Mai 2004, 07:31

Zeit
ist nur
ein Tropfen auf
dem heißen Stein der
Unendlichkeit. :)

Laura

Der Panther

Beitragvon Laura » Do 6. Mai 2004, 05:06

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehen der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannter Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.


(Rainer Maria Rilke)
:anbet:

Frosty
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Re: Der Panther

Beitragvon Frosty » Do 6. Mai 2004, 05:06

Laura hat geschrieben:Der Panther
Falls jemand nicht weiß, was die Stäbe zu bedeuten haben:
Hier gehts um einen Panther, der in einem Zoo hinter Gittern sitzt.
René Frost
forum.koepenick.net - Betreiber

Laura

Der kluge Prophet

Beitragvon Laura » Do 6. Mai 2004, 05:08

Der kluge Prophet

Ein Fröschlein sitzt im Schilf und Rohr
und lugt zum Himmelszelt empor,

wie es dort mit dem Wetter steht.
Der Frosch ist, laut Beruf, Prophet.

Bei Regen oder Sonnenschein
ist es sehr leicht, zu prophezein,

doch ist das Wetter ungewiss,
traut selbst ein Frosch der Sache miss.

Auf alle Fälle sagt er sich:
Das Wetter ist »veränderlich«
.
Das macht nicht klüger und nicht dümmer,
der gold'ne Mittelweg stimmt immer.

Fred Edrikat
:D

Laura

Die Entstehung des Kusses

Beitragvon Laura » Do 6. Mai 2004, 05:12

Die Entstehung des Kusses

Ihr Junggesellen groß und klein,
Und all' ihr holden Mägdelein,
Vernehmet die Historiam,
Woher die Kunst zum Küssen kam.
Herr Adam lag im Paradies
Der Länge nach im Grase,
Erfrischend mit dem Blumenduft
Behaglich seine Nase.
Frau Eva schlummerte so sanft
An ihres Adam Seite;
Man kann sich denken, wie sich da
Der alte Adam freute.
Und als er sie so schlummern sah,
Das Kindlein seiner Rippen,
Da flog ein Bienchen - sum - sum - sum
Auf Evchens Rosenlippen.
Als nun der alte Adam schaut,
Wie dort das Bienchen lecket,
Bekommt er Lust zu wissen auch,
Was ihm so trefflich schmecket.
Das Bienchen, das ihn kommen sah,
Erhob sich, fort zu fliegen,
Und ließ dabei in aller Angst
Dort seinen Honig liegen.
Als nun der Adam seinen Mund
An Evchens Lippen brachte,
Da schmeckt es ihm so wundersüß,
Wie er sich's nimmer dachte.
Und seit der Zeit wird er nicht satt,
Den Mund an Mund zu fügen,
Auch wehrte keineswegs ihm
Frau Eva das Vergnügen.
Jetzt braucht zum Kusse nimmermehr
Erst eine Biene honigschwer
Die Lippen zu versüßen.
Ich küsse auch, weil mir's gefällt,
Die ganze junge Mädchenwelt,
Die alten - laß ich grüßen!
Ludwig Rieg

:bussi:


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